Mit dem Rad von Lübeck nach Białystok

[Juli / August 2016, 32 Tage, 1.148,52 Km| Diese Reise führte von Lübeck ins ostpolnische Białystok – leider mit einer kleinen Zugpassage zwischen Konin und Warschau. Diese „Schummelei“ hatte zwei Gründe: Zum einen wurde ich zum ersten Mal während einer Radreise ernsthaft krank und zum anderen gab es nirgendwo geeignetes Kartenmaterial zu Masowien.

Highlights ware die komplette Durchquerung Berlins von West nach Ost, die alte Stadt Posen sowie natürlich das pulsierende Warschau. Nicht zu vergessen Konin, das in seiner Hässlichkeit einen interessanten Kontrast setzte. Richtig schön wurde es aber erst östlich von Warschau. Mit seinen weiten Wäldern, kleinen Dörfchen und den typischen Holzhäuschen gehört Ostpolen zu den sehenswertesten Radreise-Regionen Polens.

Prolog:

Die ideale Radreise beginnt an der eigenen Haustür und endet in der Ferne. Die noch idealere freilich wieder zu Hause, aber das sprengt bei entfernten Zielen meist den Zeitrahmen.

Diese Reise führte von Lübeck ins ostpolnische Białystok – leider mit einer kleinen Zugpassage zwischen Konin und Warschau. Diese „Schummelei“ hatte zwei Gründe: Zum einen wurde ich zum ersten Mal während einer Radreise ernsthaft krank und zum anderen gab es nirgendwo geeignetes Kartenmaterial zu Masowien.

Auch fiel der Start dieser Reise in den Katastrophensommer 2016, der mit viel Regen und herbstlichen Temperaturen gekonnt zu nerven wusste. Trotzdem war auch diese Radreise ausgesprochen inspirierend und kurzweilig – was keineswegs nur an den vielen Highlights lag.

Dazu zählten die komplette Durchquerung Berlins von West nach Ost, die alte Stadt Posen sowie natürlich das pulsierende Warschau. Nicht zu vergessen Konin, das in seiner Hässlichkeit einen interessanten Kontrast setzte. Richtig schön wurde es aber erst östlich von Warschau. Mit seinen weiten Wäldern, kleinen Dörfchen und den typischen Holzhäuschen gehört Ostpolen zu den sehenswertesten Radreise-Regionen Polens.

 

Abschnitt 1: Lübeck – Berlin

Schweriner See

Etappe 1, Lübeck – Schwerin (Raben-Steinfeld): 90,03 km 

(regnerisch mit Aufheiterungen, 18 – 22 °C)

Es ist ein komisches Gefühl, zuhause loszuradeln und zu wissen, es geht gen Osten. Weit gen Osten. Der Geist kommt auf den ersten Kilometern noch nicht so richtig klar damit. Routinewege bilden den Anfang einer großen Reise: Vorbei an Famila, dann kommt der Wesloer Forst, dahinter Schlutup und dann Selmsdorf. Dazwischen überqueren wir eine erste Landesgrenze und sind in Mecklenburg.

Das schöne Schönberg heißt nicht nur so, sondern kann tatsächlich mit einem sehr lauschigen Ortskern aufwarten. Alles sieht hier irgendwie anders aus als in Schleswig-Holstein. Man merkt, man ist in Mecklenburg.

Nach einer ersten Mittagspause geht es weiter. Starke Regenschauer sorgen für Abwechslung. Wir radeln über Rehna, Köchelstorf, Dragun und Warnitz in die Landeshauptstadt Schwerin – die einzige übrigens in Deutschland, die keinen Großstadtstatus besitzt. Dass Schwerin deshalb klein sei, gehört ins Reich böser Legenden.

Zelten in Raben-Steinfeld

Wir dürfen die wunderschöne Stadt mit ihren immerhin 97.000 Einwohnern von West nach Ost komplett durchqueren. Unser Zelt aufschlagen müssen wir im Nachbarkaff Raben-Steinfeld, wo der Campingplatz Süduferperle liegt. Dieser liegt – nomen est omen – an der Südostspitze des Schweriner Sees, genau gegenüber dem Schweriner Schloss.

Jetzt in der Hauptsaison ist es hier schon ein wenig ungemütlich. Aber die Anzahl der Autos auf der Zeltwiese hält sich noch in Grenzen. Leider gibt es hier keine Bänke oder Tische für Radreisende. Unser Abendessen müssen wir auf einem Tuch am See zu uns nehmen. Und das für happige 15 €.

 

 

 

Etappe 2, Raben-Steinfeld – Plau am See: 85,58 km 

(regnerisch, abends heiter, 15 – 20 °C)

Mecklenburgische Allee

Die erste Nacht im Zelt war erfrischend und erholsam. Langsam verabschiedet sich der Alltag und die Reise ergreift Besitz von uns. Zusammenpacken und Zeltabbau sind eine elende Plackerei, an die wir uns gewöhnen müssen. Unten brodelt das Kaffeewasser auf dem Spiritusfeuer, oben verdichten sich Wolken und schicken Regen hinab. Wir müssen uns beeilen, bevor die Ausrüstung nass wird.

Im dichten Regen radeln wir los, die Laune könnte besser sein. Der Verkehrslärm der B 321 ist eine einzige Belästigung. Zum Glück biegen wir schnell nach Sukow ab, es folgen Göhren, Tramm und Raduhn. Ständig halten wir Ausschau nach einer überdachten Bank mit Tisch. Wir haben noch nicht gefrühstückt und brauchen ein trockenes Plätzchen zum Essen.

Plauer See

In Grebbin werden wir endlich fündig. Wir breiten unsere Leckereien aus und lassen es uns gutgehen. Ganz zufällig haben wir uns direkt neben der Warnowquelle niedergelassen. Das kleine Flüsschen blubbert als müdes Rinnsal unter einer hölzernen Ambosskulptur hervor und befüllt einen kleinen Teich. 147 Kilometer weiter nördlich mündet es in die Ostsee und kann von riesigen Hochseeschiffen befahren werden.

Eine Stunde später rollen wir durch das Städtchen Lübz, das vor allem durch seine Brauerei bekannt ist („Lübzer“). Besonders attraktiv wirkt die Bierstadt allerdings nicht. Bis Plau müssen wir der B 191 folgen. Zum Glück gibt es einen Radweg. Und auch der Himmel reißt auf und lässt warme Sonnenstrahlen über die Landschaft streifen. Von Plau am See bekommen wir leider nicht viel mit, weil der Campingplatz „Zuruf“ ein paar Kilometer weiter südlich liegt. Das ist schlecht für die Versorgung, da der nächste Supermarkt ebenso weit entfernt ist. Wenigstens gibt es hier eine Wiese für Radwanderer, sogar mit überdachtem Esstisch.

 

Warnowquelle

Wegweisung

 

Etappe 3, Plau am See – Wittstock / Dosse: 43,68 km; dort drei Tage Krankenlager.

(sehr regnerisch, 15 – 17 °C)

Matschwege am Plauer See

Und wieder das gleiche Spielchen. Kaum sind wir aufgewacht, zieht sich der Himmel zu und schickt Regen auf die Erde. Schnell packen wir zusammen und machen uns auf den Weg in Richtung Berlin. Erreichen wollen wir Lindow, doch das liegt knappe einhundert Kilometer weiter im Süden. Und irgendwie fühle ich mich kränklich. Ziemlich kränklich sogar.

Bei strömendem Regen versuchen wir, Bad Stuer an der Südspitze des Sees zu erreichen. Es gibt einen beschilderten Rad- und Wanderweg, der sich aber schnell als dreiste Zumutung herausstellt. Ein matschiger Waldweg mit dicken Wurzeln und anderen Ärgernissen ist nicht gerade das, was Reiseradler brauchen. Das alles wird mit teils kräftigen Anstiegen garniert, was zusätzlich nervt. Da wir doch besser die radweglose Bundesstraße nehmen sollen.

Irgendwann landen wir auf einer Landstraße, die uns durch eintönige Felder führt. Und ehe wir uns versehen, sind wir in Brandenburg. Mit einem Schlag sehen die Dörfer wieder anders aus, irgendwie ursprünglicher und mit einem wohldosierten Hauch von Sprödigkeit versehen. In Freyenstein, das bereits zu Wittstock an der Dosse gehört, machen wir eine kleine Rast. In einer kleinen Kneipe trinken wir ein Bier und wärmen uns auf. Ich fröstele unverhältnismäßig und fühle mich elend.

Freyenstein

Freyenstein hat ein bestens erhaltenes mittelalterliches Dorfbild inclusive einer Burg und einem Schloss. Betrübt radeln wir weiter durch den Regen. Schnell wird klar, dass wir es niemals bis Lindow schaffen werden. Weil es mir zunehmend schlechter geht, steuern wir Wittsock / Dosse an und suchen eine Unterkunft. Die Touristeninfo vermittelt uns ein schönes Privatzimmer, das für die nächsten Tage mein Krankenlager werden soll.

Am nächsten Tag liege ich mit Fieber und quälendem Husten im Bett. Selbst ein kurzer Spaziergang durch die idyllische Stadt mit ihren mittelalterlichen Bauten und ihrer gut erhaltenen Stadtmauer erschöpft mich. Trübe Aussichten, und Polen ist noch weit…

Wittstock / Dosse (Stadtmauer, Rathaus mit Marktplatz):

 


 

Etappe 4, Wittstock / Dosse – Lindow: 63,64 km

(regnerisch mit Wolkenbruch, später Aufheiterungen, 15 – 20°C)

Schloss Rheinsberg

Aus dem Krankenlager wurde zum Glück nicht mein Sterbebett. Nach drei Tagen Ruhe geht es mir wieder gut genug, um vorsichtig das Weiterradeln zu versuchen. Die restlichen sechzig Kilometer nach Lindow stehen heute auf dem Programm. Und sogar das Wetter sieht halbwegs gut aus.

Wir verlassen unsere schöne Pension und radeln über eine ruhige Landstraße durch Babitz und Schweinrich nach Zechlin. Links und rechts der Straße gibt es weite Heidelandschaften. Leider ist das Betreten lebensgefährlich, weil wohl noch Munitionsreste oder ähnlicher Kram aus ehemaligem Militärmissbrauch unter der Erde schlummern.

Das Schloss in Rheinsberg gibt eine prima Kulisse für die erste Bierpause des Tages ab. Ich bin zwar noch weit davon entfernt, gesund zu sein. Doch das Pausenbier lasse ich mir nicht vermiesen. Schon garnicht von einer lästigen Bronchitis. Die letzten Kilometer bis Lindow in der Mark Brandenburg verfliegen im Nieselregen.

Dorf in Brandenburg

Das malerische Lindow wird von Wutz-, Gudelack- und Vielitzsee liebevoll eingerahmt. Der Campingplatz am Gudelacksee ist in der Hochsaison weniger malerisch und gleicht einem Großparkplatz mit Übernachtungsmöglichkeiten. Dicht an dicht stehen Autos und Campingmobile, dazwischen ein paar Zelte und Sitzgarnituren. Ein Mann macht es sich auf einem Liegestuhl bequem und genießt die Aussicht auf die nächste Kühlerhaube. Es ist Wochenende im Autoland.

Zum Glück müssen wir unser Zelt nicht zwischen den eng geparkten Blechkisten aufstellen. Die Chefin weist uns einen relativ schönen Platz direkt am Seeufer zu. Wir müssen nur noch ein Gewitter mit fortgeschrittenem Wolkenbruch vorbeiziehen lassen, dann können wir unser Zelt aufbauen. Bis dahin stehen wir in Regenklamotten unter einem leidlich schützenden Baum. Einen Steinwurf dahinter liegt eine Front von stationären Campingmobilen mit Vorgärten. Niemand bittet uns ins Trockne. Deutschland halt.

 

LIndow, Wolkenbruch über dem Gudelacksee

Lindow

Lindow, Wutzsee

Etappe 5, Lindow – Berlin-Spandau: 81,16 km

(wechselhaft, 18 – 24°C)

Brandenburgische Landstraße

Heute soll es nach Berlin gehen. Doch wer in die Großstadt will, muss sich zuerst durch die Provinz quälen. Und in Brandenburg können in dieser schon einmal aus Landstraßen Waldwege führen. So landen wir südlich von Lindow hinter Seebeck mitten im Wald und kommen uns recht verloren vor. Nur gelbe und hochamtliche Wegweiser machen uns Mut, uns doch nicht verirrt zu haben.

In Großmutz haben wir dann endlich wieder Asphalt unter den Laufrädern. Wir radeln weiter ins Löwenberger Land, wo es auf den größeren Straßen langsam voller wird. Es ist Sonntag, und all die Ausflügler aus dem Ballungsraum Berlin sind auf ihren Heimwegen.

In Grüneberg weichen wir daher auf eine Nebenstrecke aus, die zudem schlecht ausgeschildert ist. Irgendwann landen wir auf einem matschigen Waldweg und sind heilfroh, als uns dieser auf eine passable Landstraße entlässt. Über einen wunderschön Asphaltierten Radweg (Neuholländer Weg) gleiten wir durch einen Wald ins Städtchen Malz. Das Schönste daran: Während der Radweg nagelneu und in einwandfreiem Zustand ist, ist die daneben gelegene Autofahrbahn nicht asphaltiert und eine elende Buckelpiste. So muss es sein!

Wegweisung

Je näher wir an Berlin kommen, desto schöner wird das Wetter. Aber noch haben wir uns die Vororte zu kämpfen, was uns dank einer recht guten Ausschilderung auch recht gut gelingt. Es geht durch Oranienburg und Velten nach Henningsdorf, das als Berliner Industrievorort fast schon abstoßend wirkt.

Um so schöner ist dafür an der Havel. Wir rollen über den Fuß- und Radweg, der den Fluß begleitet und passieren die Stadt- und Landesgrenze von Berlin. Noch ein paar Kilometerchen, dann haben wir unser Zeil erreicht, den Campingplatz Bürgerablage des Berliner Camping Club e.V. – der sogar ein Küchenzelt mit Sitzgarnituren, Kochstelle und Kühlschrank für Rad- und Rucksackreisende bereithält. Sehr lobenswert!

 

 

Toller Radweg neben Rüttelpiste für Blechkisten

Landesgrenze Berlin

An der Havel

 

Etappe 6, Berlin – Erkner: 60,66 km

(heiter, 18 – 26 °C)

Die Havel bei Spandau

Der Tag der Großstadt. Einmal quer durch Berlin von West nach Ost. Mittendurch. Das ist unser vielversprechender Plan für heute. Das Wetter passt auch, die Sonne scheint und wärmt bereits am Morgen. Dank des Küchenzeltes können wir unseren Morgenkaffee gemütlich auf einer Sitzbank trinken und müssen das Wasser auch nicht mühsam über dem Spiritusbrenner erhitzen. Anschließend folgt das Packen.

Auf guten Radwegen lässt sich selbst eine Großstadt wie Berlin bestens mit dem Fahrrad durchqueren. Und das sogar auf relativ abgelegenen Wegen, die in unserem Falle dem Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal bis Berlin-Mitte folgen. So radeln wir bester Dinge mitten ins Herz der Millionenstadt, ohne tatsächlich allzu viel von ihr mitzukriegen.

Gut, der Verkehrslärm ist in Berlin praktisch omnipräsent. Aber das Radeln entlang der gut ausgeschilderten Rad- und Wanderwege ist entspannend und kurzweilig. Am Invalidenfriedhof ist leider Schluss mit der Gemütlichkeit. Jetzt gilt es, schnell das touristenverseuchte Regierungsviertel mit Bundestag, Kanzlerinstall und Brandenburger Tor zu durchqueren.

Grüne Innenstadtwege

Der Prachtboulevard Unter den Linden ist eine einzige Aneinanderreihung von Schaufensterfronten, dahinter hochglanzpolierte Protzwelten. Auch auf der Fahrbahn ist viel los. Genau hier, wo der Verkehr besonders nervig ist, gibt es keine Radwege oder -spuren. Schnell vorbei am Alexanderplatz und hinein in die Karl-Marx-Allee, die etwas später zur Frankfurter Allee wird.

Hier, wo zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor die prächtigen Zuckerbäckerhäuser im Stile des Sozialistischen Klassizismus stehen, ist Berlin am schönsten. Zudem werden wir wieder mit einem breiten Radweg verwöhnt, der uns bis zum Ende der Stadt erhalten bleiben soll. Die Orientierung übernimmt ab jetzt das lange Asphaltband der Bundesstraße 1, die vom Berliner Zentrum fast schnurgerade bis an den Stadtrand führt.

Wir verlassen Mitte und sind schnell in Lichtenberg, wo die großen Plattenbausiedlungen beginnen. Es folgen Freidrichsfelde, Biesdorf und Kauslsdorf. Alles kleine ehemalige Dörfer, deren dörfliche Kerne noch heute gut zu erkennen sind. Irgendwann wurden sie vom expandierenden Berlin überrollt und sind heute die Zentren der Ostberliner Großsiedlungen des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf.

In Alt-Biesdorf ist dieser Umstand besonders gut zu erkennen. Die alte Dorfkirche des Örtchens liegt auf einer Insel inmitten der Verkehrsader B1 und wird zu beiden Seiten von obszönen Verkehrsmassen umrauscht.

..die ab und zu Autosschlangen kreuzen

Auch in Biesdorf gönnen wir uns eine kleine Pause in einem gleichnamigen Einkaufszentrum, danach nehmen wir die letzten Kilometer Berlins unter die Räder. Mahlsdorf heißt der letzte Stadtteil in Berlins Osten, dann dünnt die Stadt merklich aus und ist mit einem Schlage vorbei. Nur der Verkehr rauscht unvermindert über die B1.

n Dahlwitz gleich hinter der Landesgrenze verlässt uns nicht nur unser Radweg, sondern auch jegliche Wegweisung. Wir tasten uns durch den wenig attraktiven Ort und finden die Straße nach Münchetofte. Weiter geht es nach Schöneiche bei Berlin, das zusammen mit Woltersdorf eine riesige Schlaf-Vorstadt Berlins bildet. Es gibt kaum Orientierungsmarken und auch keine Wegweiser. Wir müssen uns Erniedrigen und tatsächlich Leute nach dem Weg fragen.

Mitte

In der nächsten tristen Schlaf-Vorstadt Erkner finden wir endlich unser Quartier, den Zeltplatz der Naturfreunde Springenberg in einem Wäldchen am Flakensee. Viel ist hier nicht los, aber in der Nähe stehen unzählige Wohnmobile von Dauercampern. Über jedem davon ist ein riesiges Dach aus Plane gespannt, um die stationären Mobile von den Unbilden der Natur zu schützen. Irgendwie widersinnig.

 

 

Berlin-Kaulsdorf

Berlin-Mahlsdorf, dann ist Schluss mit Hauptstadt

…und tschüss!

 

Etappe 7, Erkner – Kostrzyn nad Odrą: 104,95 km

(bewölkt/heiter, 17 – 20°C)

In der Nähe des Maxsees

Der Morgen ist kühl und dunkel. Eine dicke Wolkenschicht versperrt den Himmel und verbreitet eine irgendwie herbstliche Atmosphäre. Wir trinken unseren Kaffee in der Bäckerei eines Discounters. Die Frau hinterm Tresen kann kaum glauben, dass wir heute noch nach Küstrin radeln wollen.

Die Kleinstadt Erkner ist trist und langweilig, auch das Ortszentrum macht nicht viel her. Über Grünheide radeln wir nach Hoppegarten, wo wir auf einen kleinen Feldweg zum Maxsee abbiegen. Ein Risiko, da sich solche Wege nicht selten im Nirgendwo verlieren oder plötzlich die Beschilderung fehlt.

Und tatsächlich, gleich nach dem ersten und mit Erleichterung wahrgenommenen Wegweiser passiert nichts mehr. Eine Weggabelung bleibt ohne Information, wir müssen einen Pilzsammler fragen. Er rät uns vom Weg um den Maxsee ab, da dort überschwemmte Fischteiche den Weg weggespült hätten. Ein kleiner Umweg wird nötig – wenigstens führt er über eine schöne Fahrradstraße.

Verfahren…

Doch Brandenburg macht es uns heute nicht leicht. Müncheberg ist wegen einer Baustelle kaum mit dem Fahrrad zu erreichen. Seine Häuser wirken wie lieblos in die Märkische Erde gestreut, und einen Ortskern scheint es nicht zu geben. Mit Mühe finden wir einen müden Supermarkt für unser Päuschen.

Einen Ortskern hat Müncheberg dann doch, aber der befindet sich eher am östlichen Ende der Kleinstadt. Einen Schicksalsschlag haben wir noch zu verkraften. Zwischen den Käffern Trebnitz und Worin übersehen wir einen Wegweiser und landen in der Pampa. Fast zwei Kilometer quälen wir uns über einen groben Kieselweg, bevor uns alles seltsam vorkommt und wir umdrehen.

Neuhardenberg (links die Schinkelkirche)

Von da an läuft alles wie am Schnürchen. Problemlos finden wir in die wunderschöne Stadt Neuhardenberg mit Schloss und Schinkelkirche. Rückenwind bläst uns förmlich über Letschin und Sophiental an die Oder. Diese mäandert als naturbelassener Fluss gemütlich durch die flache Landschaft. Weil sie gerne mal Hochwasser führt, ist sie eingedeicht. Gut für Radfahrer, denn auf dem Deich befindet sich ein Radweg.

Auf dem Weg nach Küstrin haben wir linker Hand immer Polen im Blick, während wir schon von Weitem die hohen Silogebäude von Kostrzyn nad Odrą ausmachen können. Der deutsche Teil der Stadt – Küstrin-Kietz – wirkt dagegen unscheinbar und langweilig. Auch hier lässt uns mal wieder die Beschilderung im Stich. Ein paar lästige Extrakilometer werden nötig, um die Auffahrt zur Oderbrücke zu finden.

Auf dem Oderdeich

Eine letzte Hürde, dann rollen wir im Schatten der Küstriner Festung endlich auf polnischen Boden. Zugegeben, Kostrzyn nad Odrą ist optisch bei Weitem keine Perle. Es dominieren die Farbe Grau und eine ausgeprägte Schmucklosigkeit. Egal, wir beziehen unser Zimmer in einem günstigen Hotel und schlafen dem polnischen Abschnitt unserer Radreise entgegen.

 

Polska!

Kostrzyn nad Odrą

Festung Küstrin

Kostrzyn nad Odrą

 

Etappe 8, Kostrzyn nad Odrą – Sulęcin: 51,59 km

(stark bewölkt, 15 – 18°C)

Woiwodschaftsstraße 137

Endlich in Polen! Für uns bedeutet das einige Vorteile: So ist die Infrastruktur wesentlich besser als in Deutschland. Fortan dürfen wir in fast jedem Dörfchen einen kleinen Lebensmittelladen erwarten und müssen nicht mehr Verpflegung in den Packtaschen horten. Auch sind die Unterkunftspreise nicht mehr so astronomisch hoch. Wir dürfen also in Hotels nächtigen!

Das Wetter hat sich nun allerdings ganz auf Frühherbst eingestellt. Vom Sommer fehlt jede Spur, dafür nieselt es bei fünfzehn Grad. Erbärmlich! In Górzyca holen wir unser Frühstück nach und machen uns danach auf ins kühle Lebusser Hügelland. Hier hat die Eiszeit ganze Arbeit geleistet und uns eine recht hügelige Topographie hinterlassen. Zumindest wird uns so warm beim Radeln.

Unsere zweite kleine Pause machen wir in Osno Lebuskie (Drossen) und versuchen, uns mithilfe eines Frischgezapften aufzuwärmen. Das Tyskie schmeckt lecker und gibt uns Kraft für die letzten Kilometer. Zum Glück ist der Verkehr auf der Woiwodschaftsstraße 137 bis Sulęcin recht erträglich, wobei uns Anstiege und Abfahrten bei Laune halten.

In Sulęcin (Zielenzig) reicht es uns für heute. Wir machen es uns im Hotel Hetman gemütlich und hoffen, dass der Wettergott mal einen Blick in den Kalender werfen möge. Vielleicht opfern wir ihm morgen ja ein polnisches Starkbier…

Hotel Hetman, Sulęcin

Etappe 9, Sulęcin – Gorcyń: 73,29 km

(überwiegend bewölkt, 14 – 16°C)

In Międzyrzecz

Auch heute scheint sich der Sommer noch im Dauerstreik zu befinden. Fröstelnd stehen wir vor unserem Hotel in Sulęcin und machen uns fertig für Weiterfahrt. Die 137 fordert uns mal wieder mit hügeligem Programm, damit wir uns warmstrampeln können. Der Verkehr ist erträglich, die meisten Autofahrer überholen uns mit Abstand und sind rücksichtsvoll. Landschaftlich präsentiert sich Polen hier eher langweilig mit Äckern und Wäldern.

Mit Międzyrzecz (Meseritz) radeln wir durch eine etwas größere Kleinstadt, die sich beachtlich in die Länge zieht. Am Ortsgang versorgen wir uns in einem kleinen Laden mit Proviant. In Bobowiko verlassen wir die 137 und biegen nach Pszczew (Betsche) ab. Das kleine Örtchen wirkt aufgelockert und sympathisch. An einem kleinen Tümpel steht eine Sitzbank mit Tisch – der ideale Platz für eine erste Pause. Und sogar der Himmel reißt auf und lässt die lange vermisste Sonne zum Vorschein kommen!

Pszczew

Die letzten Kilometer dieser Etappe werden dann leider immer unangenehmer. Unsere Wunschroute entlang des Europaradweges R1 endet in einer schwer passierbaren Sandpiste. Also nehmen wir die Landstraße zur alternativlosen Fernstraße 24. Die zwei Kilometer auf der stark befahrenen Piste haben es in sich. Auf einem winzigen Randstreifen bangen wir neben Kolonnen von großen und kleineren Fahrzeugen um unser Leben.

Unsere Unterkunft Ostep bei Gorcyń ist eine Art Autobahnraststätte mit angeschlossenem Hotel und liegt direkt an der lärmigen Fernstraße. Bei Gorcyń handelt es sich um eine Handvoll Häuser, die so etwas wie ein Miniaturdorf bilden. Zum Glück enttäuscht uns Polen auch hier nicht – immerhin gibt es einen kleinen Einkaufsladen für das Nötigste!

 

Sandpiste (Europaradweg R1)

Etappe 10, Gorcyń – Poznań: 100,51 km

(stark bewölkt, 16 – 18°C)

Sinnfreie Absperrgitter neben Radweg

Diese Etappe beginnt mit zehn Kilometern Folter. Es gibt einfach keine Alternative zur verkehrsreichen Fernstraße 24. Also heißt es Augen zu und durch, oder besser vorbei – an den Autos und Lastern, die einen Meter links neben uns über den Asphalt donnern. Spaß macht das keinen, ist aber nicht ganz so gefährlich, wie wir befürchtet haben.

In Kwilcz (Kwilitsch) können wir die Autohölle endlich verlassen und radeln auf ruhigen und idyllischen Nebenwegen weiter. Die Wege werden sogar so idyllisch, dass stellenweise der Fahrbahnbelag verschwindet. Aber besser als die Fernstraße ist das allemal.

Vorbei an Miłostowo und Linie geht es durch Lwowek nach Pakosław und Duszniki. Auf dem Weg nach Pakosław staunen wir nicht schlecht über eine zwei Kilometer lange Reihe von einbetonierten Absperrgittern. Diese schützen den straßenbegleitenden Radweg vom nicht vorhandenen Verkehr auf der Fahrbahn der kleinen Landstraße. Eigentlich eine lobenswerte Idee, nur an dieser Stelle leider völlig sinnfrei.

Triste Ortsdurchfahrt

Das Radeln auf den verkehrsarmen Nebenwegen im Posener Umland macht durchaus Spaß. Die Landschaft ist zwar nicht allzu aufregend, dafür aber flach und gut beradelbar. Schluss damit ist in Niepruszewo, zwanzig Kilometer westlich von Posen. Unser Plan, über die Woiwodschaftsstraße 307 in die Großstadt zu radeln, scheitert am unerträglichen Verkehr.

Bei Luskówo gibt es noch eine kleine Landstraße nördlich des gleichnamigen Sees. So gelangen wir über Batarowo bis nach Przeźmierowo, wo wir uns erst einmal gründlich verfahren. Dann hier im direkten Dunstkreis der Großstadt Posen gibt es natürlich keine Wegweiser mehr auf das Eigentliche. Warum auch. Jeder, der hier wohnt, weiß ohnehin, wo es in die Stadt geht. Und alle anderen kommen ja über die Autobahn.

Bei Lusowo

Zweimal müssen wir arme Passanten nach dem Weg fragen, bevor wir auf dem angstbesetzten Kreisverkehr ankommen, der die teuflische und hier immerhin vierspurige 307 bedient. Um so größer ist unsere Freude, als wir den gut ausgebauten Radweg sehen, der entlang der Einfallstraße in die Stadt führt. Auf Höhe des Posener Flughafens werden Radweg und Wohngebiete sogar mit einer mehrere Meter hohen und transparenten Lärmschutzwand vom Schall getrennt.

Die Einfahrt nach Posen verläuft erstaunlich problemlos. Es geht praktisch nur geradeaus bis ins Stadtzentrum. Dort finden wir schnell unser Hotel Ikar, eine Perle in einem grauem Block aus guter alter sozialistischer Zeit. Hinter der tristen Fassade verbirgt sich ein sehr angenehmes Hotel mit sehr gutem Service. Auch hier können wir unsere Fahrräder problemlos irgendwo im Personaltrakt abstellen. Super!

 

Ortseingang Poznań

Stadtmitte Poznań

 

Zwei Tage im schönen Poznań

Königsschloss

Posen ist mit knapp 583.000 Einwohnern die immerhin fünftgrößte Stadt des Landes. Trotz dieser Größe wirkt Posen recht aufgelockert und angenehm. Das Zentrum ist überschaubar und sehr gut fußläufig zu erkunden. Man braucht also nicht einmal ein Fahrrad dazu, obwohl sich die Stadt gerade anschickt, jede Menge Fahrradspuren auf den Fahrbahnen zu markieren. Im gesamten Zentrum werden Teile der Straßen rot bepinselt und für den Radverkehr reserviert.

Apropos Zentrum. Dieses besteht im wesentlichen aus der pittoresken Altstadt mit ihrem wunderschönen Alten Markt, auf dem auch das bekannte Rathaus aus dem Jahr 1555 zu finden ist. Daneben gibt es noch das restaurierte Königsschloss und die etwas funktionaler wirkende Innenstadt mit ihren noch aus sozialistischen Zeiten stammenden Gebäudeensembles.

Buntes Altstadthaus

Weniger sozialistisch, dafür jedoch komplett dem Kapitalismus verschrieben präsentiert sich das preisgekrönte Einkaufszentrum Stary Browar. In die Gebäude einer ehemaligen Brauerei wurde mit sorgfältiger architektonischer Arbeit eine Shopping-Mall samt Kulturzentrum eingebaut. Zwar kann man dort auch nicht viel mehr tun, als einzukaufen und in einem der vielen Restaurants zu relaxen. Aber immerhin setzt sich das Ambiente doch deutlich von der langweiligen Einheitsoptik üblicher Einkaufszentren ab.

Auch sehenswert und ein guter Ort zum Zeitvertreiben und Bummeln ist der Plac Wolności mit seinem auffällig gestalteten Springbrunnen. Hier lässt sich prima flanieren oder auf einer der Bänke bei einem Bier den Flaneuren zusehen.

 

 

Alter Markt

Plac Wolności

Fahrradstadt Posen

Etappe 11, Poznań – Słupca: 92,60 km

(bewölkt / heiter, 18 -24 °C)

Gemütliches Radeln auf Nebenwegen

Wir verlassen Posen über eine kleine Straße, die in der Nähe des Posener Güterbahnhofs die Gleise kreuzt. Es ist die einzige ihrer Art, über die man die Stadt auf dieser Ecke nach Osten verlassen kann, ohne sich über große und verkehrsreiche Ausfallstraßen zu quälen. Dank einer Fahrradkarte für die Großstadt landen wir sicher in Garby, einer kleinen Schlafstadt an Posens Stadtgrenze.

Weiter geht es über kleine Landsträßchen nach Osten. Unsere erste Pause machen wir vor dem Schulgebäude in Gułtowy, wo gerade ein sonntägliches Fest stattfindet. Jedenfalls schließen wir das aus den seltsamen Uniformen, die einige Leute tragen. Über Giercz und Dzierżnica versuchen wir, nach Opatówo zu kommen. Auf diese Weise wollen wir vermeiden, über die lästige Fernstraße 92 nach Wrzśnia (Wreschen) einzufahren. Leider werden die Wege immer kleiner und verlieren sich schließlich im Nirgendwo. Also dann doch auf die 93.

Pause in Gułtowy

Diese hat zum Glück einen guten Seitenstreifen und lässt sich so recht gut beradeln. Von Wrzśnia, kriegen wir nur die unschönen Randgebiete mit und machen eine kleine Pause neben einer hässlichen Straßenbrücke. Wenigstens wärmt die Sonne ganz gut. Auf Nebenwegen radeln wir parallel zur 92 in Richtung Słupca, was bis Staw auch recht gut funktioniert. Dort müssen wir leider wieder rauf auf′s Asphaltband, bekommen aber schnell einen Radweg geschenkt, der uns bis in die Kleinstadt Słupca (Slupca / Grenzhausen im Wartheland) führt.

 

Wegweisung

Etappe 12, Słupca – Konin: 51,26 km

(stark bewölkt, 18 – 21 °C)

Zagórów

Heute soll es in die Industriestadt Konin gehen. Leider ist das kleine Aufflackern des Sommers der letzten Tagen wieder erloschen, so dass wir unsere heutige kleine Etappe an einem kühlen und düsteren Vormittag starten müssen.

Vorbei an Jaroszyn und Ląd radeln wir über leere Straßen nach Zagórów, wo wir am Marktplatz eine erste Pause machen. Trübes Licht hüllt die Häuser in eine surreale Atmosphäre. Die Luft riecht seltsam nach Gummi.

Weiter geht es über Kopojnow und Rzgów nach Konin. Konin ist mit 76.000 Einwohnern schon eine Stadt größeren Kalibers. Trotzdem wirkt sie bei der Einfahrt nicht besonders städtisch. Die Häuser könnten genauso gut einer x-beliebigen Kleinstadt ein langweiliges Ambiente verpassen. Unser nettes Hotel befindet sich genau gegenüber einem Friedhof, und auch die Räder kommen in einem ungenutzten Festsaal sicher unter.

Rzgóow

Aber nun zu Konin. Die Stadt ist nicht nur Zentrum des polnischen Braunkohleabbaus sowie der Aluminiumverhüttung, sondern sie ist die bisher hässlichste Stadt, die wir jemals in Polen zu Gesicht bekommen haben. Konin besteht aus zwei Teilen, die nur nominell etwas miteinander zu tun haben. Der ältere Teil der Stadt mit einer angedeuteten Flanierstraße und einem ebenso angedeuteten Ortskern liegt südlich der Warthe.

Nördlich davon ragt der neue Teil der Stadt in den Himmel, der mit seiner gesichtslosen Hochhausbebauung genauso gut irgendwo im Osten Russlands liegen könnte. Beide Stadtteile werden von einer offensichtlich hirnlosen Stadtplanung durch autobahnähnliche Schnellstraßen getrennt.

Ortseingang Konin

Man kann also vom einen Teil der Stadt nicht in den anderen kommen, ohne diese lärmigen Trassen zu benutzen. Diese haben zumindest einen brauchbaren Seitenstreifen, den Radler benutzen können. Wie Fußgänger zwischen Konin A und Konin B hin und her wechseln, ist uns unbekannt. Und es mag im älteren Teil Konins durchaus ältere Menschen geben, die noch nie im neueren Teil gewesen sind und dessen Hässlichkeit nur aus den Erzählungen ihrer Enkel kennen – und umgekehrt.

Wie dem auch sei, auch in Konin finden wir kein Geschäft, das brauchbares Kartenmaterial für Masowien – oder überhaupt Kartenmaterial – führt. Da wir hier die Reichweite unserer vorhanden Karten verlassen, haben wir also keine Orientierungsmöglichkeit mehr. Zu allem Überfluss habe ich meine Bronchitis natürlich nicht auskurieren können und fühle mich recht schwach auf den Beinen. Wir beschließen, morgen eine Etappe mit der Bahn zu fahren.

 

Konin, alt

Konin, neu

 

Etappe 13: Über Łowicz nach Warschau mit der Bahn; Fahrrad: 10,95 km

(stark bewölkt, 17 – 20 °C)

Marktplatz in Lowicz

Passend zum hässlichen Konin ist auch der Bahnhof der Stadt an Schmucklosigkeit kaum zu überbieten. Wir wollen im Zug bis Łowicz fahren, dort übernachten und dann weitersehen.

Łowicz (Lowitsch) ist eine etwas größere Kleinstadt mit ca. 30.000 Einwohnern. Trotz intensiverer Herumfragerei finden wir auch hier kein Kartenmaterial. Das Wetter ist trüb und kühl, wir verbringen die meiste Zeit des Tages in unserem kleinen Zimmer im Hotel.

Wir haben kein Kartenmaterial, und mir geht es auch wieder ein Stückchen schlechter. Vor zwei Wochen lag ich noch mit Fieber im Bett und bin anschließend nur Rad gefahren. Also beschließen wir, auch die restlichen Kilometer bis Warschau den Zug zu nehmen. Ich bin so schwach, dass ich am Bahnhof mein bepacktes Reiserad kaum die Treppen hinauf bekomme….

 

 

Vier Tage in Warschau; Fahrrad insegesamt: 37,90 km

(überwiegend sonnig, 18 – 26 °C)

Warschau ist auch Architekturhauptstadt

Und wieder sind wir in Warschau. Im Gegensatz zu anderen Reisenden halten wir Warschau für eine der angenehmsten und sehenswerten Hauptstädte in Europa. Und weil wir mit unserer Meinung relativ alleine stehen, wird Polens Kapitale auch nicht von großen Touristenmengen geflutet. Dabei fasziniert die Stadt vor allem durch die unvergleichliche Mixtur aus alt und neu, schäbig und hochglanzpoliert, hyperkapialistisch und sowjetkommunistisch.

Wir mieten uns ein Appartement in den hochmodernen Platinum-Towers im Stadtteil Mirów, die Räder nehmen wir hier wie immer mit ins Zimmer. Unser Aufenthalt in Warschau ist diesmal Entspannung pur, was meinem gebeutelten Körper auch Gelegenheit gibt, sich wieder etwas zu erholen.

Dribbdebach

Weil wir Warschau bereits gut kennen und fast alle Sehenswürdigkeiten mit Würde gesehen haben, genießen wir einfach die Stadt. Mit anderen Worten, wir schwingen uns auf die Räder und lassen uns einfach treiben.

Wir besuchen den Schlossplatz, den alten Königsweg, die Promenade an der Weichsel, den Łasienki-Park, shoppen in den Złote Tarasy und sitzen lange in unserer „Stammkneipe“. Restauracja Podwale 5. Und tatsächlich erkennt uns die Kellnerin noch aus dem letzten Jahr. Zum bleibenden Eindruck haben sicher auch vielen leckeren die Bier-Pitcher beigetragen…

 

 

Abends am Schlossplatz

Altstadt

Plac Piłsudski

Am Hauptbahnhof (Warszawa Centralna)

Immer wieder schön: Der Multimedia-Brunnen

 

Der Kulturpalast

Aber eine wesentliche, vielleicht sogar die wesentlichste Sehenswürdigkeit Warschaus, haben wir auf unserer Liste noch nicht abgehakt. Die Aussichtsplattform des ehrwürdigen Kulturpalastes haben wir noch nie betreten – was angesichts unserer Reisen nach Warschau einem mittleren Frevel gleichkommt.

Das riesige Gebäude im stalinistischen Zuckerbäckerstil ist derart imposant, dass ihm selbst die hypermodernen und architektonisch gewagtesten Wolkenkratzer in der Umgebung nicht die Schau stehlen können. Aber so haben wir immerhin noch eine Sehenswürdigkeit zu besuchen, die wir so noch nicht kennen.

In den Złote Tarasy

Viel profaner, dafür ungemein fortschrittlich und praktisch sind die öffentlich nutzbaren Leihräder in Warschau. An vielen Stellen in der Innenstadt gibt es Leihstationen, an denen man für sehr kleines Geld ein Fahrrad mieten kann. Auch in Warschau erkennt man die Zeichen der Zeit und steuert dem zerstörerischen Autoverkehr entgegen.

Am letzten Tag unseres Stelldicheins in Warschau radeln wir mal wieder zum Bahnhof Wileński im Stadtteil Praga. Wir haben keine Lust auf das Verkehrsgetümmel in Warschauer Ballungsraum und nehmen den Zug nach Tłuszcz, was soviel wie „Fett“ bedeutet. Von dort soll es dann weiter in Richtung Podlachien gehen.

 

 

 

Etappe 13: Tłuszcz – Ostrów Makowiecka, 72,30 km

(heiter, 23 – 25 °C)

Dworzec Wileński, Praga-Północ

Weil wir keine Lust auf den Stress bei der Ausfahrt aus Warschau haben wollen, nehmen wir den Zug bis nach Tłuszcz, was übersetzt soviel wie „Fett“ bedeutet. Die Zugfahrt (ab Dworzec Wileński im Stadtteil Praga-Północ) kostet nur ein kleines Trinkgeld, die Radmitnahme ist sogar kostenlos. Ab Tłuszcz geht es über mal ruhigere, mal etwas mehr befahrene Landstraßen nach Nordosten. Insgesamt ist die Landschaft waldreich, aber trotzdem eintönig. Kleine Ortschaften wechseln sich ab, die Sonne scheint und lädt zu Pausen an Waldrändern ein.

Dass wir in Ostpolen sind, merken wir nicht zuletzt an den typischen Holzhäuschen, die immer häufiger zu entdecken sind. Ostrów Makowiecka ist eine kleine Kreisstadt mit etwa 24.000 Einwohnern. Zu sehen gibt es nicht viel, dafür ist der Lärm der autobahnähnlichen E67 um so lauter.

 

Holzhäuschen

 

Ostrów Makowiecka

 

Etappe 14: Ostrów Makowiecka – Wysokie Mazowieckie, 55,72 km

(heiter, 22 – 25 °C)

Heute wollen wir die Grenze zur Woiwodscahft Polachien überfahren und damit endgültig den Osten Polens erreichen. Wir haben Glück, denn es gibt genügend kleine, verkehrsarme Landstraßen, die uns ohne nennenswerte Umwege in die gewünschte Richtung führen. Wenige Kilometer hinter Anrezejewo ist es dann soweit: die Województwo Podlaskie beginnt.

Weitere geht es über beschauliche Wege mit sehr wenig Verkehr. Trotzdem sind hie und da Lebensmittelgeschäfte zu finden, so dass wir uns keine Sorgen um die Versorgung mit Getränken machen müssen. Je näher wir uns dem mit nicht einmal 10.000 Einwohnern recht winzigen Regionalzentrum Wysokie Mazowieckie, desto öfter kreuzen silberne Tanklaster unseren Weg. Werden auf den vielen Milchbauernhöfen der Region mit dem Rohstoff für Käse & Co. befüllt. Und tatsächlich: Wysokie Mazowieckie ist ein Zentrum der polnischen Milchwirtschaft. Dort ist Sitz der Genossenschaft Mlekovita, dem zweitgrößten Milchverarbeitungsbetrieb Polens.

Während wir am tristen Werksgelände der Milchmeister  vorbeiradeln, verdunkelt sich der Himmel immer schneller. Mit den ersten Regentropfen erreichen wir unser Hotel, das an der Landstraße nach Białystok liegt. Dort wird morgen unsere letzte Etappe beginnen.

 

Einkaufsmöglichkeit

Hier beginnt Podlachien

Die Genossenschaft Mlekovita in Wysokie Mazowieckie

 

Etappe 15: Wysokie Mazowieckie – Białystok, 64,07 km

(regnerisch, 18 – 20 °C)

Unterwegs auf der 678

Heute bricht letzte Etappe dieser schönen und auch recht ausgedehnten Reise. Uns ist ein ganz klein wenig mulmig, weil uns außer „dreistelligen“ Woiwodschaftsstraßen kein Alternativroute nach Białystok bleibt. Und da das eine für Ostpolen recht große Großstadt ist, erwarten wir auch viel Verkehr. Dieser hält sich auf den ersten Kilometern in sehr erträglichen Grenzen. Die Straße verläuft oft nahezu schnurgerade, die Topographie ist leicht wellig.

Eine erste Abwechslung verschönert uns nach rund 30 Kilometern die Etappe. Bevor wir das Flüsschen Narew samt seiner ausgedehnten Flussauen überqueren, machen wir eine kleine Pause am Wasser.  Wenige Kilometer später verlassen wir die 389 und radeln über Zawady auf eine weiter nördlich gelegene Einfahrtsstraße nach Białystok. Diese ist mit einem gut ausgebauten Radweg gesegnet, der uns bis in die Innenstadt erhalten bleiben soll.

Białystok ist mit knapp 300.000 Einwohnern die einzige Großstadt Podlachiens und ein Zentrum der weißrussischen Kultur in Ostpolen. Wie so ziemlich jede Großstadt (nicht nur in Polen) wirkt der Stadtrand eher trist und funktional, es dominieren große Wohnblocks und viel, viel Beton. Erst im unmittelbaren – und recht überschaubaren Stadtzentrum – ändert sich die Optik grundlegend.

Dort fasziniert Białystok mit einem unaufgeregten und heimeligen Charme. Zu besichtigen gibt es nicht viel, so dass wir reuelos dem Müßiggang frönen können. Lieblingsplatz:

Immer geradeaus nach Osten…

Der kleine Teich im Park am Barnicki-Palast (Pałac Branickich),dort kann man stundenlang auf den Bänken sitzen und Enten, Vögeln oder Passanten zusehen. Bier gibt’s im nahen Sklep, eine Toilette findet man im Eingangsbereich des Medizinmuseums im rechten Schlossflügel.

 

 

 

 

Die Narew

Straße nach Bialystok – mit Radweg!

 

 

 

 

Heimreise: Białystok – Szczecin, Szczecin – Lübeck im Zug

 

Szczecin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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